Datum 1991
höchste Platzierung 5
Album Achtung Baby
Website http://www.u2.com/index/home

EINE FLIEGE FĂ„LLT DEN JOSHUABAUM

Hoppla! Was ist denn mit U2 passiert? Gerade noch, also in den 80ern, haben sich die Iren mit den Alben „The Joshua Tree“ und „Rattle and Hum“ zu einem mainstreamtauglichen Stadionact gerockt. „With Or Without you“, „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ und Co. wurden Welthits und Lagerfeuerklassiker. Und dann kommt im Herbst 1991 „The Fly“ und bläst mit hartem Rocksound alles ĂĽber den Haufen. Sänger Bono hat sich dazu auch optisch verwandelt: Der Wanderprediger mit Hut und Weste sieht jetzt mit schwarzer Lederjacke und Sonnenbrille eher aus wie ein Zuhälter – das Outfit zur Kunstfigur „The Fly“, in die Bono während der „Zoo TV Tour“ schlĂĽpfen wird.

Dass U2 im neuen Jahrzehnt auch einen neuen Sound präsentieren wollen, haben sie während der Arbeit am Album „Achtung Baby“ in Dublin und Berlin immer wieder durchsickern lassen. Sie sprechen von aggressiven Gitarrenparts, mehr Rhythmus: „Wir möchten eine Platte abliefern, die nicht nur fĂĽr U2 Neuland betritt, sondern auch anders klingt als das, was man gegenwärtig im Radio oder auf Platte hört.“

Alle Versprechen werden bereits mit der ersten Single gehalten: „So klingt es, wenn 4 Männer den Joshua Tree fällen“ beschreibt Bono symbolträchtig den Sound von „The Fly“. Seine vokoderverzerrte Stimme ist im Song nur schwer zu verstehen durch die Soundwand aus The Edges Gitarre und Dancebeats. Das bisher von U2 so ungewohnte Arrangement mag den ein oder anderen U2-Fan zunächst verschreckt haben, passt aber perfekt zum Text: Bono spielt quasi einen Anrufer aus der Hölle, der vermeintlich nur ein paar Binsenweisheiten aneinander reiht. In Kombination ergeben sie ein existenzphilosophisches Referat – allerdings geht ihm mittendrin das Kleingeld aus („The universe exploded ‚cause of one man’s lie, look, I gotta go, yeah I’m running outta change, there’s a lot of things if I could I’d rearrange“). 1991 gab es in der Hölle also ebenso wie im Diesseits nur Telefonzellen und noch keine Handys…

„The Fly“ ist bis heute die U2-Single mit der höchsten Chartplatzierung in Deutschland, wohl auch dank eines geschickten Marketingschachzugs: Das GerĂĽcht machte die Runde, „The Fly“ sei im wahrsten Sinne des Wortes eine Eintagsfliege und die Single nach einem Tag (später: nach wenigen Wochen) wieder aus den Plattenläden verschwunden, so dass Sammler fleiĂźig kauften. Das Album „Achtung Baby“ wirft in der Folge noch vier weitere Chartsingles ab: „Mysterious Ways“ (Platz 46), „One“ (50), „Even better than the real Thing“ (28) und „Who’s Gonna Ride Your Wild Horses“ (48). So trĂĽgerisch können manchmal die Singlecharts sein: Der Song mit der niedrigsten Höchstplatzierung mauserte sich aus heutiger Sicht zu DEM Klassiker aus dieser U2-Phase. „One“ schaffte es in Zusammenarbeit mit Mary J. Blige 2005 auf Platz 6.

Aktuell: 30 Jahre „Joshua Tree“ – fĂĽr U2 Anlass genug, auf Grundlage des 1987er Erfolgsalbums auf groĂźe Stadiontournee zu gehen. Altbewährtes zu sportlichen Ticketpreisen darf erwartet werden.

Fazit: Der Mut, mit neuen Sounds zu experimentieren hat U2s Karriere am Leben gehalten. Viele groĂźe Bands der 80er wurden wegen ihres altmodischen Sounds in den 90ern zwischen Grunge, Techno und Hip-Hop zermalmt. Trotzdem reden U2 sehr selbstkritisch ĂĽber „The Fly“. Sie finden, der Song klänge heute nicht mehr zeitgemäß. Dennoch ist eine ĂĽberdurchschnittliche Wertung angemessen: Die Nummer rockt nach wie vor so ordentlich, dass sie jedes Linkin-Park-Album aufwerten wĂĽrde.

Quellen: Musikexpress 3/91 und 12/91 /
Jon Kutner, Spencer Leigh: 1000 UK Number One Hits

Björn Strößner

U2 – The Fly
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