Datum 1997
höchste Platzierung 4
Album N Sync
Website http://www.nsync-world.com/

BODYLOTIONPOP FÜR SCHMILZENDE MÄDCHENHERZEN

Februar 1997, und keine Zeit zum Durchatmen: N Sync absolvierten ein echtes Marathonprogramm in Deutschland. Und das kurz nach Justin Timberlakes 16. Geburtstag am 31. Januar. So mussten die fünf Jungs am Morgen des 6. Februar bei VIVA („VIVA Wecker“) auftreten, am Abend standen sie anschließend auf der Bühne der Stadthalle Freiburg. Am nächsten Tag präsentierten sie sich bei der BRAVO Super Show in Düsseldorf, wo sie neben den Backstreet Boys, Caught In The Act, Touché und Worlds Apart eine ganze Kompanie von Boygroups anführten. Am 7. Februar war die Stadthalle in Mannheim an der Reihe, die Tage darauf die Regenbogenhalle in Karlsruhe, die Ortenauhalle in Offenburg und erneut das Studio von VIVA für „Interaktiv“. Kurz: N Sync wurden in Deutschland gefeiert und herumgereicht wie in kaum einem anderen Land. Und dabei hatten sie mit „Tearin‘  Up My Heart“ gerade einmal die zweite Single ihres Debütalbums auf den Markt geworfen.

Doch die Zeit war nun mal gekommen für „Teenagerkrawalle, Heulattacken und Kuscheltier-Bombardements“, wie es der SPIEGEL Mitte des Jahres 1997 treffend beschrieben hatte. Ihr Bodylotionpop war genauso überperfektioniert und profillos wie jene Keyboardrhythmussuppe, mit der die Backstreet Boys schon seit einigen Monaten die Mädchenherzen überschütteten. Der Erfolg von Justin Timberlake, JC Chasez, Lance Bass, Joey Fatone und Chris Kirkpatrick hatte Methode, schließlich investierte mit dem Schweden Max Martin einer der angesagtesten Songwriter und Produzenten seine wertvolle Arbeitszeit in das US-amerikanische Quintett. Neben Martin war außerdem Kristian Lundin an „Tearin‘ Up My Heart“ beteiligt, ebenfalls Schwede, ebenfalls bestens vertraut mit dem europäischen Mainstreamgeschmack der Teenies. Sowohl die Backstreet Boys als auch Britney Spears ließen sich von Lundin einige furiose Hits auf die makellosen Körper schneidern. Über all diesen Hitfabrikanten thronte der allmächtige Denniz Pop, natürlich auch gebürtiger Schwede, der mit seinen magischen Produzentenhänden das sorglose Überleben der Idole gewährleistete.

Hier, bei „Tearin‘ Up My Heart“, entstand eine recht lebendige, aber ziemlich gewöhnliche 3:30-Minuten-Dudelei, ansprechend verpackt in ehrgeizig vorgetragene Tanzchoreographien und mit äußerst ernst wirkenden Gesichtern im Musikvideo, die eine solche Larmoyanzprosa mit typisch ausschweifenden Gesten mädchenclean verbreiten: „Tearin‘ up my heart my soul. We’re apart I feel it too, and no matter what I do I feel the pain, with or without you.“ Ein Lied wie eine typische Ariel-Werbung aus dem 90ern: prüde, gewöhnlich und unoriginell. Zugleich ein sehr würdiger Nachfolger für den Auftaktheuler „I Want You Back“.

Für ‚N Sync bedeuteten diese Chartserfolge jedoch vor allem eine klare Bestätigung der Denniz-Pop-Strategie: der gnadenlos kalkulierte Sprung auf den Boygroup-Zug mit echter Dividendengarantie. Dafür musste man halt schon mal den einen oder anderen Termin im Kölner VIVA-Studio auf der Couch von Tobi Schlegl oder Mola Adebisi in Kauf nehmen…

Aktuell: Justin Timberlake ist weiterhin der einzige von N Sync, der den Sprung in die Solokarriere bewältigt hat. Mit „Man Of The Woods“ (2018) kam zuletzt ein eher schwachbrüstiges Album auf den Markt.

Urteil: Tanzbar und melodisch, wie alles vorher und nachher von N Sync, hier jedoch noch stark an den Konkurrenten von den Backstreet Boys angelehnt. Einfach nur lupenreine Konfektion aus der Fabrik, mehr nicht.

Jan

 

N Sync – Tearin‘ Up My Heart

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