Datum 2003
höchste Platzierung 2
Album Results May Vary
Website http://limpbizkit.com/

BIEDERER PATHOS

Limp Bizkit - Behind Blue EyesErste Einstellung: Der beängstigend muskulöse und tätowierte Oberkörper von Fred Durst vor weiß-nebligem Hintergrund. Kurz darauf geht er auf die Kamera zu und setzt mit viel Pathos zur ersten Strophe an. Als nächstes erscheint im Bild neben Durst die noch düsterere Mimik einer ca. Ende 30jährigen Frau namens Halle Berry, die sich in ihrer Schauspielkarriere gerade zwischen hohem Glamourfaktor („James Bond – Stirb an einem anderen Tag“, „Passwort: Swordfish“) und Goldener Himbeere („Catwoman“) bewegt. Nun wird Berry in Großaufnahme gezeigt, wie sie eine Träne vergießend die nächste Strophe des Songs mitsingt. Nächste Szenerie: Sie in einem weißen Kittel, offensichtlich als Ärztin, vor der Zelle des Patienten Durst innerhalb einer psychiatrischen Anstalt. Sie betritt die Zelle, beide tauschen leidenschaftliche Küsse aus, und – welch Wunder der modernen Schnitttechnik -: Nun steht sie auf einmal im Kittel da und stellt verzweifelt fest, dass sie sich in der Rolle der Patientin wiederfindet, während Durst (nun wiederum als Arzt) die Zellentür schließt und sie (jetzt mit noch düstererem Ausdruck) alleine zurücklässt. Ende.

Wer soviel biederen Pathos und aufgeputschte Melodramatik in ein etwa viermütiges Musikvideo packen kann, dabei die Verknüpfung mit dem Plot jenen Films, für den dieser Song als Soundtrack dient, einzubinden weiß und nicht zuletzt dessen Hauptdarstellerin für das Musikvideo gewinnt, muss wohl ein ganz großer der Regiezunft sein.

„Behind Blue Eyes“ ist der Titelsong des Horrorthrillers „Gothica“ aus dem Jahr 2004, und stammt im Original von The Who. Deren Stück war ursprünglich für Pete Townshends Rockoper „Lifehouse“ geschrieben worden, das Bühnenstück wurde jedoch nicht verwirklicht. Charakteristisch für die Ballade, in beiden Versionen: Ein Gitarrenthema zu Beginn, gefolgt von Bass und Schlagzeug, ein bei The Who eher rocklastiger, bei den Nu-Metal-Rockern dezenter gehaltener Zwischenpart, und die Rückkehr zur anfänglichen Gitarrenepisode. Dem aufgestülpt das gesungene Wehklagen eines von seiner Umwelt und der Gesellschaft Geächteten, welcher mit einigen Verswiederholungen sehr mit seinem Schicksal hadert: „And no one knows what it’s like, to be hated, to be fated, to telling only lies.“

Großes Drama und großes Kino, vor allem, wenn man die sonst betont krachenden und blechernden Metal-Auftritte von Limp Bizkit berücksichtigt, die man von ihnen kennt. Aber auch ein Frontsänger vom Schlage Fred Dursts, dessen Laufbahn auch nicht ganz frei von Negativschlagzeilen war – Prügeleien, Sex-Skandale, Eminem-Zoff – kann auch gefühlvoll und balladesk, vor allem wenn es um die Bildsprache in Musikvideos geht: Fred Durst selbst hat beim Clip zu „Behind Blue Eyes“ Regie geführt.

Aktuell (2019): „Stampede Of The Disco Elephants“ soll das neue Album heißen, auf das die Fans allerdings schon lange warten. Für Sommer 2019 sind jedoch tatsächlich Konzerte geplant.

Urteil: Filigran produzierte Herzschmerz-Rockballade, die das große Gefühl verspricht, aber aufgrund der etwas zu häufig bemühten Strophenparts auch ein bisschen anstrengt.

Jan

limpbizkit – Behind Blue Eyes
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