Datum 1959
höchste Platzierung 4
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ZÄH-KLEBRIGE PASTE FÜR TRÄUMENDE HAUSFRAUEN

Keine Frage: Um das deutsch-griechische Verhältnis stand es schon mal besser. Richtig, und zwar Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Noch bevor Nana Mouskouri mit den „Weißen Rosen aus Athen“ hierzulande die chronischen Sehnsüchte nach Sirtaki, Zaziki und Akropolis hervorrief, stolperte ein unbekannter Schlagersänger aus jener von Mouskouri gefeierten Hauptstadt des südosteuropäischen Krisenlandes in die hiesige Schlagerszene der Alexanders, Valentes und Granatas wie das Schweinefleisch in den Gyros. In seiner Heimat hatte er bereits im zarten Alter von 20 Jahren alles abgeräumt, was in der Musik damals so möglich war, nun wagte sich Jimmy Macoulis an das Wirtschaftswunderland im Zentrum Europas. Er sang auf deutsch – für einen derart sprachbegabten Jungen wie ihn offenbar schon damals kein sonderlich großes Hindernis.

Jahrelang schmiss er sein zeitgemäßes Liebes- und Fernwehgeträller mit relativ bescheidenem Erfolg auf den Markt, bis sich das Publikum hierzulande nun endlich seiner erbarmte und ihm den ersten großen Hitparadenerfolg bescherte: „Gitarren klingen leise durch die Nacht“. Das Original stammte vom DDR-Schlagersänger Günter Geißler. Da man jedoch in der Bundesrepublik wenig Wert auf ostdeutsche Künstler legte, wurde jenseits der Grenze die Version von Jimmy Makulis – wie man ihn von der Plattenfirma „umtaufte“ – populär. Zugleich war es auch das Titelstück des gleichnamigen Films, der ebenfalls 1959 herauskam und u.a. Fred Bertelmann, Vivi Bach und Peter Weck (später „Ich heirate eine Familie“) als ergiebige Einnahmequelle diente.

Der Song wirkt wie zäh-klebrige Paste auf den wunden Seelen jener unbefriedigten Hausfrauen, die dem Charme des apart wirkenden Griechen mit dem hinreißenden Akzent bereitwillig erlagen: „Vor deinem Fenster blühn die Rosen, blühn die Sterne, so wie das Lächeln, das die Einsamkeit erhellt.“ Das verheißungsvolle Versprechen südländischen Temperaments, das die Minnesänger jener Zeit in ihren Schmuseliedern zum Ausdruck brachten, wird hier unnachahmlich durchexerziert: „All meine Wünsche leg ich in mein Spiel. Ewig verbunden – mit dir ist mein Ziel.“ Die reflexartige Reaktion der keuschen Wohlstandsdame aus dem Adenauer-Deutschland konnte nach dem Konsumieren eines solch schmierigen Leierkastengeträllers nur noch lauten: Heirate mich! Letztlich lag es aber eben auch an dem adretten Entertainer aus der Stadt der Tempel und Tavernen: Exotische Ausstrahlung gepaart mit angedeuteter Casanova-Attitüde sorgten nun mal für garantierte Verkaufserfolge. Oder, Demis Roussos?

Die deutsch-griechische Freundschaft war auf einem guten Weg, das Liedchen von den leise klingenden Zupfinstrumenten besetzte Monate lang die deutschen Top 10 und erreichte einen stolzen Platz 4. Der „Sinatra des Orients“ verkaufte über eine Million Tonträger und versüßte der neu gegründeten Plattenfirma Ariola die frühen Bilanzen. (Quelle: swr.de) Schön, wenn ein Song über Gitarren zu wirtschaftlichen Erfolgen beitragen kann. Dass dies ausgerechnet einem Griechen in Deutschland gelingen sollte, entbehrt heute nicht einer gewissen Ironie…

Aktuell: Jimmy Makulis verstarb 2007 im Alter von 72 Jahren in Athen.

Urteil: Bei aller Sympathie, die man dem Charmeur entgegenbringen muss – das Lied ist biederes Schlagerallerlei vom Gyrosspieß, ein insgesamt staubtrockenes Geschmackserlebnis.

Jan

 

Jimmy Makulis – Gitarren klingen leise durch die Nacht

3 Gedanken zu „Jimmy Makulis – Gitarren klingen leise durch die Nacht

  • Oh ja, grausamer Song, aber davon gabs zu diesen Zeiten ja viele. Deinen Text finde ich sehr gut geschrieben. Aber ich finde es echt blöd das die arme Hausfrau wieder herhalten muß. Wahrscheinlich hat man zu dieser Zeit so seichtes Zeug gebraucht, immer noch dabei die Kriegstraumata irgendwie hinter sich zu lassen…
    Und Nana Mouskouri hat zum Glück auch Jazz gemacht…und Sie hat ne echt gute Stimme!

    1. Da gebe ich dir recht, das Bild der deutschen Nachkriegshausfrau, die sich exotisch-seichten Schlager-Schwärmereien hergibt, sollte ich vielleicht nicht überreizen. Auch wenn diese damals zur dankbaren Zielgruppe gehörte. Aber keine Frage: Ungeachtet der Liedqualität, gut singen konnten die meisten damaligen Schlagerinterpreten, und die von dir erwähnte Griechin sowieso!;-)

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