Datum 1983
höchste Platzierung 1
Album Gazebo
Website http://www.gazebo.info/

VOM DIPLOMATENSOHN ZUM FALSCHEN CHOPIN

Die Geschichte dieses Nummer-1-Hits beginnt im Libanon. In Beirut kommt Paul Mazzolini zur Welt (18.02.1960). Sein Vater ist ein italienischer Diplomat, seine Mutter Sängerin mit amerikanischen Wurzeln. Diese Mischung kommt dem kleinen Paul sehr zu Gute: Er erbt das musikalische Talent seiner Mama. Da sein Papa oft versetzt wird, sieht er schon als Kind viel von der Welt und spricht sechs Sprachen fließend.

Seine musikalische Karriere beginnt mit 10 Jahren: Paul besucht eine internationale Schule in Dänemark und verguckt sich in ein deutsches Mädchen, das auf Gitarristen steht. Also lernt er Gitarre, um sie zu beeindrucken – zumindest erzählt Gazebo diese putzige Legende in den 80ern der BRAVO, und sie wird so heute noch auf seiner Website augenzwinkernd aufrechterhalten. Wesentlich langlebiger als die Schwärmerei fĂĽr das Mädchen erweist sich die Liebe zur Musik: Rund um den Erdball geht er zu den unterschiedlichsten Konzerten, saugt alles in sich auf und probiert alles von Jazz bis Punk in SchĂĽlerbands aus.

Die nächste schicksalhafte Begegnung hat Paul dann an der Uni in Rom: Er lernt den Komponisten Pierluigi Giombini kennen. Pauls Texte und Pierluigis Melodien werden vom Produzenten Paul Micioni geschickt in Italo-Disco-Synthiesound verpackt. Der Diplomatensohn Mazzolini versucht sich selbst als Sänger und gibt auf der BĂĽhne stets den Weltmann im feinen Anzug. Er nennt sich „Gazebo“ – bezieht sich dabei wohl weniger auf den Begriff fĂĽr Gartenpavillons, sondern eher auf den Film „Die Nervensäge“ (Originaltitel: „The Gazebo“, USA, 1959, Schwarze Komödie mit Glenn Ford und Debbie Reynolds).

Kaum hat er seinen Uniabschluss in französischer Literatur in der Tasche, erobert Gazebo die europäischen Charts. Sein DebĂĽt „Masterpiece“, wird ein groĂźer Hit in Italien und klettert in Deutschland bis auf Platz 35. Das eigentliche „MeisterstĂĽck“ gelingt ihm mit der zweiten Single: „I Like Chopin“ wird in mehreren europäischen Ländern Nummer 1. Der Song ist eine Hommage an den Komponisten FrĂ©dĂ©ric Chopin. Und während die Musikfans rätseln, aus welchem Chopin-Werk das Klavierthema in „I Like Chopin“ stammt, lachen sich Gazebo und sein Kollege ins Fäustchen: Sie haben die Melodie erfunden und versucht, Chopin zu imitieren.

In derselben Woche, in der „I Like Chopin“ in die deutschen Top 75 einsteigt, kommt noch eine Mazzolini-Giombini-Komposition in die Charts: „Dolce Vita“ gesungen von Ryan Paris. Zwei europaweite Hits gleichzeitig – nicht schlecht fĂĽr Newcomer! Leider haben sie damit fast schon das Pulver verschossen, woran – um im Bild zu bleiben – das italienische Militär mit schuld hat. Das ist dann aber die Geschichte von „Lunatic“, Gazebos zweitem Top-10-Hit.

Aktuell: Gazebo ist ab und an live unterwegs und versucht online neue Alben an den Mann zu bringen. Der letzte Streich: „Italo By Numbers“.

Urteil: NĂĽchtern betrachtet haben wir hier eine nette Popmelodie, einen mäßig talentierten Sänger und eine typische 80er-Jahre-Synthie-Produktion – und trotzdem hat „I Like Chopin“ irgendetwas Zeitloses. Auch nach ĂĽber 30 Jahren freut man sich, wenn’s mal wieder im Radio läuft – und pfeift sofort mit. Wenn’s so ist, kann man auch mal fĂĽr eine eigentlich durchschnittliche Nummer eine ĂĽberdurchschnittliche Wertung geben.

Björn Strößner

Gazebo – I Like Chopin
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