Datum 2002
höchste Platzierung 1
Album The Eminem Show
Website http://www.eminem.com/

ESPRITVOLLER WIDERLING

„Er ist ein Frauenfeind, ein Schwulenhasser, ein Rassist und ein Antisemit.“ ZugegebenermaĂźen, das ist nicht gerade eine kurze Liste an Unterstellungen, die dem 29 Jahre jungen Herrn aus Missouri bei der Grammyverleihung 2001 an den Kopf geworfen wurden. Der Mann, der wiederum diese VorwĂĽrfe gegenĂĽber der amerikanischen Presse zum Ausdruck brachte, war lediglich sieben Jahre älter, kam im knapp 1000 Meilen von Missouri entfernten New York zur Welt und hatte den Eindruck, er mĂĽsste mal endlich einen kritischen Kommentar zu den gewiss nicht zimperlichen Lyrics von Eminem verbreiten. Moby sollte es bitter bereuen: Ein Jahr später stänkerte der Rapper bei den MTV Video Awards erneut gegen den TechnokĂĽnstler und bezeichnete ihn als „Mädchen“. Das Publikum quittierte diesen diskreditierenden Beitrag zunächst mit Buhrufen – doch als Eminem mit seinem 2002er Ăśber-Hit „Without Me“ auftrat, ĂĽberwog wieder die Begeisterung.

Denn Eminem war zweifellos in der Form seines Lebens. Bereits 2001 hagelte es Grammy-Auszeichnungen fĂĽr ihn, nun, 2002, bewies Marshall Mathers, warum er fĂĽr die amerikanische Rapszene so unglaublich wertvoll war: Sein viertes Album „The Eminem Show“ sprĂĽhte vor Esprit, vor kreativem Zorn, vor Sarkasmus und Zynismus und lieferte zudem produktionstechnische Highlights mit schleppenden Beats und präzisen Riffs, die den Wortmarathon des KĂĽnstlers dynamisch begleiteten. Hier wurde thematisch alles geboten: dĂĽsteres Ghettovokabular, gnadenloses Dissing, hemmungslose Selbststilisierung, jedoch immer mit jenem irritierenden Moment der ironischen Ăśberspitzung, die in Songs wie „Without Me“ schlichtweg glänzend dargeboten wird.

Der Text liest sich wie eine spitzbĂĽbische Hommage an sich selbst, in der er mal so nebenbei ein paar prominente Namen und Institutionen durch den Kakao zieht: Lynn Cheney, die Frau des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, wird auf die Herzprobleme ihres Mannes hingewiesen, der Sender MTV bekommt fĂĽr die konsequente Verweigerung, Eminems Videos zu zeigen, sein Fett ab, Limp Bizkit werden als Bastarde hingestellt und der bereits erwähnte Moby als ein in die Jahre gekommener Glatzkopf bezeichnet. Vor allem aber ist Eminem, wie er galant zu reimen pflegt, das „Schlimmste“ der weiĂźen Musik seit Elvis Presley, „obszön“ und „widerlich“.

Im Musikvideo gipfelt der karnevaleske Reigen bei Eminem nebst Dr. Dre in wĂĽsten Verkleidungsorgien: als Batman, Robin und Blade, als Osama Bin Laden und Elvis, als Talkshow-Gast, Kung-Fu-Kämpfer und… natĂĽrlich deutlich erkennbar als Moby mit porentiefrein glänzender Glatze. Oder einfach gerappt: „Now this looks like a job for me, so everybody just follow me, cuz we need a little controversy, cuz it feels so empty without me.“ Recht hat er.

Aktuell: An Zugkraft hat Eminem nichts verloren: Mehrere Alben in den vergangenen drei Jahren, Kollaborationen mit Ed Sheeran und diverse Konzerte sprechen eine deutliche Sprache.

Urteil: Die Hookline (später kopiert im Song „E“ von Drunkenmunky) bleibt ewig im Kopf, der Text ist von kompromissloser Verve, der Rap treffsicher wie gehabt: Eminems Hochphase spiegelt sich hier souverän wider.

Jan

Eminem – Without Me
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