Datum 1957
höchste Platzierung 3
Album
Website http://caterinavalente.com/

CALYPSO, FLOTT UND FROHSINNIG

Was für ein Sommer. Ganz Deutschland ächzte Mitte des Jahres 1957 unter einer beispiellosen Hitzewelle. Schon der erste Tag dieser tropischen Periode ging in die Schlagzeilen ein: Am 11. Juni 1957 bildete sich gegen 14 Uhr im Freibad Humboldthain eine Windhose mit orkanartiger Geschwindigkeit. Unzählige Utensilien der schockierten Badegäste wurden mitgerissen und bis zu 700 m in der Umgebung umhergewirbelt. Acht Tage später war erneut Berlin der Schauplatz jener Wetterkapriolen und ihrer Folgen: Aufgrund der Trockenperiode brach im Grunewald ein Waldbrand aus, der größte in der Geschichte Deutschlands seit dem Kriegsende. 20 ha der Kiefernschonung fielen den Flammen zum Opfer. Am 7. Juli 1957, nachdem die Berliner bereits seit knapp vier Wochen tagtäglich Temperaturen weit über 30 Grad ertragen mussten, beendete schließlich ein kräftiges Unwetter die regenfreie Zeit: Entwurzelte Bäume, abgedeckte Dächer sowie abgerissene Bahnoberleitungen waren unter anderem die Folge einer Windhose mit anschließendem Hagelschlag. Kurz: Was für ein Sommer.

Wo die 26jährige Caterina Valente diese aufregende Zeit verbracht hatte, ist heute nicht mehr belegt. Aber die gebĂĽrtige Pariserin dĂĽrfte wohl 1957 vor allem ihre Musik- und Filmkarriere angeheizt haben. „Das einfache Mädchen“ und „Casino de Paris“ kamen in die Kinos und amĂĽsierten die Deutschen. Und an neuen Songs in Zusammenarbeit mit dem legendären Kurt-Edelhagen-Orchester lieĂź sie es auch nicht fehlen. Zu den erfolgreichsten Produkten dieser Zusammenarbeit gehörte ein Titel mit echtem Zungenbrechercharme: „Tipitipitipso“.

Der Song erzählt die Geschichte vom kleinen mexikanischen Ganoven Coco, der kleine Gaunereien begeht, von den Geschädigten seine Strafe bekommt, bis es jeweils am Ende dieser herzlich albernen Ministories heiĂźt: „Tipitipitipso, beim Calypso ist dann alles wieder gut, ja, das ist mexikanisch. Tipitipitipso, beim Calypso sind dann alle wieder froh im schönen Mexiko.“

Warum die Valente den afro-karibischen Musikstil ausgerechnet ins Land der Azteken verortet, erschließt sich dem Zuhörer nicht sogleich. Aber das ist wohl unerheblich, denn der Calypso steht genauso für die Unbändigkeit südlicher Tanzgepflogenheiten wie Mexiko für das Sehnsuchtsziel der nachkriegszerrütteten Bundesbürger. Die Valente juchzt und tiriliert zum Bläsergeschwader, flott und frohsinnig sowie lieblich in Palmenstrandrhythmik gegossen, bis das Fernweh unerträglich wird. Dass das ganze nicht authentisch wirkt, wenngleich sich doch irgendwie durch eine reizend-naive Lebendigkeit auszeichnet, ist schlichtweg der Performance-Souveränität der Valente zu verdanken. Man konnte sich ihrem Charme nicht entziehen.

Vielleicht trugen ja auch die Wetterverhältnisse zum Erfolg von „Tipitipitipso“ bei, die Hitze in Deutschland bescherte der Nummer im Hochsommer einen ordentlichen 3. Platz in den deutschen Charts. Ăśbrigens: Die Temperaturen hierzulande waren immer noch kein Vergleich zu jenem Land, welches Valente so euphorisch besingt. Berichte von einer „Dienstreise“ der FuĂźballmannschaft von Hannover 96 nach Mexiko im Sommer 1957 lassen erahnen, dass die Deutschen sich nicht hätten beschweren mĂĽssen – in Mexico-City herrschten mittags Temperaturen von bis zu 50 Grad. Bei höchster Luftfeuchtigkeit…

Aktuell: Caterina Valente hat sich weitestgehend aus dem Showgeschäft zurückgezogen und genießt ihren Ruhestand.

Urteil: Flotter Calypsoschlager mit durchaus Pep, als tanzbare Grundlage zu einem Sloe Gin Fizz absolut geeignet. Und nicht zuletzt bietet der Text sogar ein paar nette Pointen.

Jan

Caterina Valente – Tipitipitipso

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