Datum 1976
höchste Platzierung 1
Album
Website http://www.brotherhoodofman.co.uk/

HOPPELNDES TOLLHAUS DER GUTEN LAUNE

3. April 1976, Den Haag, Niederlande. Der Grand Prix d’Eurovision ging in die 21. Runde, und ein paar kleine Neuerungen gab es diesmal zu vermelden: Erstmals durften zum Teil Playback-Passagen eingespielt werden und Griechenland nahm – nach der Absage im Vorjahr – wieder am Wettbewerb teil, Erzfeind TĂĽrkei jedoch nicht. Hier wurde der griechische Beitrag im Fernsehen sogar einfach ausgeblendet. Abseits jener diplomatischen Krisen hatte die Veranstaltung allerdings keine besonderen Höhepunkte zu verzeichnen: Die musikalischen Beiträge wirkten zum Teil sehr piefig und qualitativ ĂĽberschaubar, also alles wie immer. Auf dem letzten, dem 18. Platz landete die Norwegerin Anne Karine, deren Auftritt wohl weniger wegen der Cabaret-artigen Darbietung als vielmehr aufgrund der unverschämt hässlichen Sonnebrille und dem glitzernden FischkostĂĽm abgestraft wurde. Einen Platz höher landete eine Jugoslawin, die im Kontrast aussah, als hätte man sie gerade spontan aus ihrer KĂĽche bei der Salatzubereitung heraus und auf die BĂĽhne geschleppt. Platz 16 belegte ein hĂĽftsteifer Spanier – tja, und mit gerade einmal 12 armseligen PĂĽnktchen landete der deutsche Beitrag (Sing Sang Song“) von den Les Humphries Singers auf dem 15. Platz, pikanterweise gleich hinter Luxemburg mit dem Schlagerveteran JĂĽrgen Marcus aus Herne. FĂĽr seine Desertation wurde er von den Deutschen dann auch gleich konsequent mit 0 Punkten abgestraft.

Ganz oben landete in jenem Jahr 1976 nach einem zeitweise recht spannenden Zweikampf mit Catherine Ferry aus Frankreich eine britische Formation namens Brotherhood Of Man. GroĂźbritannien ging in diesem Fall auf Nummer Sicher: Fröhlichkeitsoffensive mit einem dauergrinsenden Schnauzbartträger, seinem  mitgrinsenden männlichen Begleiter und zwei tänzelnden Schwalben mit Durchschnittsgesichtern. Dazu erinnert jene fluffige Hurra-Disconummer sehr eindeutig an ABBA – die Zusammenstellung dieser Formation mit zwei weiblichen und männlichen Mitgliedern nährt diesen Verdacht beträchtlich. Eiskalt kalkuliert, nennt man das wohl – und das kam an: 164 Punkte bedeuteten den Sieg, insgesamt 17 Punkte Vorsprung hatten sie gegenĂĽber der französischen Teilnehmerin Ferry.

Nun ging es durch die Decke – die weitestgehend ignorierten Veröffentlichungen aus 1970 und ein Jahr zuvor „Where Are You Going To My Love“ waren vergessen: „Save Your Kisses For Me“ rauschte in 33 Ländern auf Platz 1, verkaufte sich mehr als fĂĽnf Millionen Mal und machte diesen Song zum meistverkauften Grand Prix-Hit aller Zeiten. Nicht zu vergessen: Beim 1976er Wettbewerb bekamen sie auch die meisten Punkte aller bisherigen Gewinner. Egal, dass dieser Song mit Textzeilen wie „Bye bye, baby, bye bye. Don’t cry, honey, don’t cry“ böses Nasenbluten verursacht, die Auftritte der vier hoppelnden Duracel-Hasen an Lächerlichkeit grenzte – soviel Frohsinn musste sich einfach gut verkaufen.

Die unterlegenen Franzosen mussten allerdings nicht lange warten, um sich erfolgreich zu revanchieren: 1977 siegte die gebĂĽrtige Kongolesin Marie Myriam fĂĽr Frankreich – und verwies die Briten („Rock Bottom“) dafĂĽr auf die Plätze.

Aktuell (2019): Als wäre die Zeit stehengeblieben: Noch immer tingeln Brotherhood Of Man in exakt derselben Formation durch die Lande. 2019 gibt es ein paar kleinere Auftritte in Großbritannien.

Urteil: Ein trällerndes Tollhaus der guten Laune, das eine erfolgreiche Mischung zwischen schlechte ABBA-Kopie und Kindergarten-Entertainment abgibt. Es waren einfach andere Zeiten damals, beim Grand Prix d’Eurovision…

Jan

 

Brotherhood Of Man – Save Your Kisses For Me

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