Datum 2009
höchste Platzierung 8
Album The Element Of Freedom
Website http://aliciakeys.com/

ZÜCHTIG UND MIT SEELE

Mrs. Keys hat eine klare Meinung. Und die vertritt sie auch, wie man einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung entnehmen durfte. Auf die Frage, warum sich die Sängerin denn nicht ein wenig freizügiger auf Bühnen und in Videos präsentiere, antwortete sie geradezu empört: „Wer halbnackt über den Boden kriecht, zeigt doch nicht selbstbewusst, was er hat. Ich versteh‘ das nicht. Frauen sind so wunderbare Wesen. Leider vergessen sie oft, dass Schönheit nichts mit nackter Haut zu tun hat. Sie denken, je mehr sie zeigen, desto schöner sind sie.“ Keys scheute stets den Konkurrenzkampf mit Popdiven wie Beyoncé, Rihanna oder Nicole Scherzinger, obwohl diese ihre erotische Ausstrahlung als wesentliches Kapital für ihre R’n’B-Produkte ins Spiel hineinwarfen.

Stattdessen blieb sie auch 2009 mit ihrem nunmehr vierten Studioalbum „The Element Of Freedom“ ihrer Linie treu: emotionaler Pop, grundanständig und souverän. Keine entfesselten Ausschweifungen über Sadomaso-Praktiken, keine brachialen House-Experimente, kein Musikclip-Skandal. Etwas konservativ, etwas züchtig, aber stets würdevoll. So funktioniert die erste Single-Auskopplung aus diesem Album, „Doesn’t Mean Anything“, gerade aufgrund dieses stabil hohen Niveaus, das man von Alicia Keys seit ihrem Debüt 8 Jahre zuvor kannte und schätzte. Der Song handelt vom unschätzbaren Wert der Liebe, die jeglichen materiellen Besitz unwichtig macht, und den die Interpretin umgehend aufgeben würde, um ihre verlorene Liebe zurückgewinnen zu können. „From above seems I had it all, but it doesn’t mean anything, since you’re gone.“

Großes Drama im recht schlicht gehaltenen Soundgewand, das im Wesentlichen durch ein konsequent wiederholtes Pianothema bestimmt wird – so ließe sich der Song zusammenfassen, der in den USA übrigens gewaltig floppte. Positiv ist sicherlich der Umstand, dass Keys gerade im Schlussteil auf einen 60köpfigen Gospelchor oder pompöse Orchestereinsätze verzichtet, wie es sich bei den fortlaufenden Grundakkorden bei anderen Künstlern geradezu aufgedrängt hätte. Andererseits arbeitet sie gesanglich ein wenig auf Halbmast und bietet kaum Variationen, so dass statt eines markerschütternden Soulgeniestreichs eben doch nur ein recht guter R’n’B-Song mit dem Prädikat „vorbildlich“ entstanden ist.

Wie Keys in besagtem Interview mit der SZ erwähnt, war es schließlich Produzenten-Ass Clive Davis, der die richtigen Worte zu der Musik seines Schützlings fand: „Alicia, deine Songs haben Seele. Und wenn ich alter Sack das spüre, werden es Millionen andere Leute auch spüren.“ Sie taten es. Sie tun es.

Aktuell: Nun, auch Alicia Keys hat eine freiberufliche Nebentätigkeit für sich entdeckt: Sie sitzt in der Jury von „The Voice“. Ihr letztes Album heißt „Revival“. Und 2019 moderiert sie die Grammy Awards.

Urteil: Bewegender und sehr einfühlsam produzierter Hit einer tollen Stimme, die dem Song Seele, aber vielleicht etwas zu wenig Dynamik verleiht.

Jan

Alicia Keys – Doesn’t Mean Anything

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